Freiheit und Sicherheit oder Sicherheit statt Freiheit?

Der nachfolgende Beitrag wurde von mir für die AAV-Mitteilungen 1/2007 geschrieben. Es war das große Modethema des damaligen Innenministers, Wolfgang Schäuble. Verschärfungen der Sicherheitsgesetze war das damalige politische Schlagwort. Nach den Kofferbombenattentätern von Köln folgte im September 2007 die Festnahme der sog. Sauerland-Terroristen. Dieses Verfahren konnte ich damals hautnah miterleben, weil ich zur gleichen Zeit im Prozessgebäude des OLG Düsseldorf  in einem anderen Verfahren als Verteidiger saß.

Mein Fazit von damals, daß sich Online-Durchsuchungen weniger gegen Terrorverdächtige oder hartgesottene organisierte Schwerverbrecher richten würden, als vielmehr hauptsächlich  gegen „unbedarfte“ Täter im Rahmen normaler Kriminalität, hat sich jedenfalls im Fall des „Bayerntrojaners“ bestätigt, wo wegen Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz (Vergehen, 5 Jahre Höchststrafe) ermittelt wurde. Jedenfalls ist der Beitrag nach wie vor interessant. Die damals verabschiedeten Gesetze gibt es immer noch. Brauchen wir sie wirklich?

Freiheit und Sicherheit oder Sicherheit statt Freiheit?

 

Liebe Kolleginnen,

liebe Kollegen,

auf dem kürzlich ausgerichteten 58 Deutschen Anwaltstag in Mannheim hat der Vorstand des DAV am 16.05.2007 eine Resolution zur geplanten Verschärfung der Sicherheitsgesetze verabschiedet. (http://www.anwaltverein.de/03/02/2007/dat/resolution.pdf). Kernpunkt der Resolution ist die These:

„Freiheitsrechte dulden grundsätzlich keinen Kompromiss. Die in den letzten Jahren angehäufte Summe der Eingriffe in die Freiheitsrechte ist schon jetzt unerträglich.“

Wenn die Verfasser der Resolution bereits konstatieren, dass die in den letzten Jahren angehäufte Summe der Eingriffe in Freiheitsrechte „schon jetzt“ unerträglich sei, erscheint die Resolution zunächst einmal als verspätet.

Angesichts der breiten öffentlichen Diskussion zu dieser Thematik in den letzten Monaten und Jahren wird daher der ein oder andere sicherlich fragen, wieso jetzt (erst)?

Ich denke, die jetzige Beschlussfassung des DAV zeigt deutlich, dass Aktivitäten gegen die weitere Beschneidung von Freiheitsrechten mittlerweile jenseits parteipolitischer Diskussionen oder politischer „Stimmungsmache“ erforderlich sind. Wollte der DAV möglicherweise zunächst keine klare Stellungnahme abgeben, um sich nicht einem parteipolitischen Lager zuordnen zu lassen, so scheint sich eine Handlungspflicht für uns Anwälte nunmehr – so könnte man sagen – fast zwingend aus §§ 1 BRAO, 1 BORA zu ergeben.

Als unabhängige Organe der Rechtspflege dient unsere Tätigkeit der Verwirklichung des Rechtsstaats. Unsere Mandanten haben wir zwar zunächst vor Fehlentscheidungen im Einzelfall durch Gerichte und Behörden zu bewahren, die tägliche Praxis des Anwaltsberufs.

Darüber hinaus haben wir Anwältinnen und Anwälte gemäß § 1 Abs. 3 BORA jedoch auch die Aufgabe, unsere Mandanten gegen verfassungswidrige Beeinträchtigungen und staatliche Machtüberschreitung zu sichern. Wenn der Staat in seiner Rolle als Gesetzgeber also Freiheiten der Bürger in zunehmenden Maße „zu Gunsten“ ihrer Sicherheit beschneidet, so muss es Aufgabe gerade auch der Anwaltschaft sein, die Freiheitsrechte der Bürger vor dem Gesetzgeber über den konkreten Einzelfall hinaus zu schützen und folgerichtig auch einmal die Frage zu stellen: „Wie viel Sicherheit braucht der Bürger eigentlich?“

Dementsprechend hat der DAV in seiner Resolution scharfe Kritik an den geplanten Gesetzesvorhaben geübt:

„Der DAV ist sich der Schutzpflicht des Staates durchaus bewusst. Er wehrt sich dennoch dagegen, dass die Bundesrepublik Deutschland von einem Freiheits- und Rechtsstaat zu einem Sicherheits- und Überwachungsstaat zu werden droht“.

Deutlichere Worte kann man kaum finden. Auch wenn eine Vertiefung der allgemeinen Problematik im Rahmen des vorliegenden Artikels nicht erfolgen kann, soll im Folgenden anhand eines konkret geplanten „Sicherheitsgesetzes“ aufgezeigt werden, dass der pauschale Ruf nach mehr Sicherheit unter der (falschen) Flagge der Terrorismusbekämpfung gefährlich ist und letztendlich nur zu einer immer weiter gehenden Ausweitung der Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden führt, wobei Freiheiten der Bürger zwar nachhaltig beeinträchtigt werden, ein Gewinn an Sicherheit jedoch nicht erreicht wird.

Ein völlig indiskutables (weil nutzloses) Gesetzgebungsvorhaben wird derzeit auf den Weg gebracht, die so genannte „Online-Durchsuchung“ soll den „Schäuble-Katalog“ um weitere Maßnahmen erweitern..

I. Was ist eine Online-Durchsuchung?

Vorbemerkung

Zunächst sollte klargestellt werden, dass eine Ausweitung der Befugnisse der Verfassungsschutzbehörden nicht Gegenstand der Diskussion sein soll. Entsprechende Befugnisse standen dem Verfassungsschutz, dem BND und dem MAD nach Auffassung des Bundesinnenministeriums bereits in der Vergangenheit zu (so jedenfalls die Antwort des parlamentarischen Staatssekretärs im BMI auf eine entsprechende Anfrage, vgl. dazu http://www.heise.de/newsticker/meldung/87316).

Auch das (zum 30.12.2006 geänderte) Verfassungsschutzgesetz NRW sieht in § 5 Abs. 2 Nr. 11 derartige Maßnahmen vor. Gegen dieses Gesetz sind bereits Verfassungsbeschwerden anhängig.

Der gezielte Einsatz von hoch qualifizierten staatlichen „Hackern“ gegen einige wenige Terrorverdächtige mag sinnvoll erscheinen. Angesichts der personellen Kapazitäten der Behörden in diesem Bereich dürften sich solche Maßnahmen regelmäßig auf eine ganz geringe Anzahl von Verdächtigen beschränken. Davon mag man halten was man will.

Gegenstand der aktuellen Diskussion ist daher einzig und allein die Frage, wieso neben den Geheimdiensten die Strafverfolgungsbehörden ebenfalls entsprechende Eingriffsmöglichkeiten erhalten sollen.

Anlass war eine Entscheidung des BGH. Dieser hatte hatte Anfang des Jahres  in einem Beschluss (BGH StB 18/06; abgedruckt in NStZ 2007, 279 ff.) die so genannte „Online-Durchsuchung“ für unzulässig gehalten.

Der Bundesinneminister hatte daraufhin erklärt:

Aus ermittlungstaktischen Gründen ist es unerlässlich, dass die Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit haben, eine Online-Durchsuchung nach entsprechender richterlicher Anordnung verdeckt durchführen können. Hierdurch können regelmäßig wichtige weitere Ermittlungsansätze gewonnen werden. Durch eine zeitnahe Anpassung der Strafprozessordnung muss eine Rechtsgrundlage für solche Ermittlungsmöglichkeiten geschaffen werden“

Mit einer Pressemitteilung vom 2.6.2007 hat der Bundesinnenminister noch einmal bekräftigt, einen entsprechenden Gesetzesentwurf noch vor der Sommerpause vorzulegen.

Der Begriff „Online-Durchsuchung“

Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei dem derzeit geprägten Schlagwort „Online-Durchsuchung“ nicht um eine klar definierte Ermittlungsmaßnahme handelt. Vielfältig wird zutreffender von „Online-Überwachung“ gesprochen (vgl. dazu und insgesamt zum Folgenden den lesenswerten Aufsatz von Buermeyer, HRRS 2007, 154 ff.).

Zusammenfassend kann man aber sagen, dass Ziel dieser Ermittlungsmaßnahme ein Fernzugriff der Ermittlungsbehörden auf Computersysteme von Verdächtigen ist.

Bereits jetzt ist es über Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung möglich, dass Ermittlungsbehörden auf die im Austausch befindlichen E-Mails, Dateien etc. von Internet-Benutzern zugreifen. Als Erweiterung dieser Maßnahme möchten die Ermittlungsbehörden nunmehr sozusagen „live“ auf das im Betrieb befindliche Computersystem eines Verdächtigen zugreifen können.

Im Gegensatz zu einer klassischen Durchsuchungsmaßnahme handelt es sich bei dieser Maßnahme somit nicht um eine offenen, sondern um einen verdeckten Eingriff. Aus diesem Grund hatte auch der Bundesgerichtshof Anfang des Jahres (BGH StB 18/06) die „Online-Durchsuchung“ für unzulässig erklärt. Die Begründung stützte der BGH dabei maßgeblich auf die heimliche Ausführung der Maßnahme, weil ein heimliches Vorgehen von § 102 StPO nicht gedeckt wird.

II. Was soll die Maßnahme?

Ziel des nunmehr bevorstehenden Gesetzgebungsvorhabens ist die Schaffung einer weiteren verdeckten Ermittlungsmethode.

Dabei ist der eigentliche Zweck dieser Maßnahme auf den ersten Blick überhaupt nicht ersichtlich. Die Daten auf der Festplatte eines PC Systems können die Ermittlungsbehörden sich nach geltender Rechtslage bereits verschaffen. Bei einer klassischen Durchsuchungsmaßnahme wird der PC sichergestellt, anschließend die auf den Festplatten befindlichen Daten ausgewertet.

Auch elektronische Kommunikationsmaßnahmen (E-Mail, Datenaustausch über Server etc.) können die Ermittler im Rahmen der geltenden Vorschriften über die Telekommunikationsüberwachung bereits nach geltendem Recht überwachen.

Das augenscheinliche Begehren des Bundesinnenministers ist daher, dass der von einer Durchsuchung seines PC betroffene Verdächtige nicht – wie bisher im Rahmen der klassischen Durchsuchung – vom Zugriff der Ermittlungsbehörden erfährt, und somit nicht von dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren.

Des Weiteren könnten bei einer Online – Durchsuchung von PC Systemen auch Inhalte des Hauptspeichers (RAM) ausgelesen werden, die naturgemäß beim Ausschalten des Systems gelöscht werden und an die man daher mit klassischen Durchsuchungsmaßnahmen nicht gelangen kann.

Ein anderes Argument der Ermittlungsbehörden ist , dass online übermittelte Kommunikation von Verdächtigen häufig verschlüsselt wird. Die Überwachung des PC Systems im Betrieb könnte dazu beitragen, dass solche Daten noch vor Verschlüsselung durch die Ermittlungsbehörden ausgelesen werden könnten.

Wo wären die Verbesserungen?

Von den Zugriffsmöglichkeiten her betrachtet könnten die Ermittlungsbehörden z. B. über einen Online-Zugriff eine einmalige Datenspiegelung des Zielsystems anfertigen. Dies käme einer Datensicherung wie nach einer klassischen Durchsuchungsmaßnahme gleich. Einziger Vorteil wäre, dass der Betroffene nichts von der Maßnahme bemerkt.

Die zweite (neue Möglichkeit) für die Ermittlungsbehörde bestünde darin, die einmal gespiegelten Daten fortan kontinuierlich auf Veränderungen zu überwachen. So könnte beispielsweise am Tagesende überprüft werden, welche neuen Dateien ein Verdächtiger erstellt hat bzw. verschickt hat.

Angesichts der Tatsache, dass eine entsprechende Fernzugriffsoftware eine komplette Steuerung jedes Zielsystems ermöglicht, wären jedoch auch andere Einsatzmöglichkeiten denkbar. Mittels einer „Keylogger“-Funktion könnten beispielsweise Passwörter (im Klartext) über die Tastatureingabe mitgeschnitten werden. Auch wäre denkbar, dass an ein PC System angeschlossene Mikrofone oder Kameras („Webcam“) aktiviert würden und die sodann aufgezeichneten Daten an die Ermittlungsbehörden übertragen würden. Insbesondere dieses Beispiel der kompletten Fernsteuerung eines Zielrechners zeigt jedoch bereits die Problematik der geplanten Maßnahme. Denn einerseits würde sich über die Aktivierung von Mikrofonen und Kameras der „große Lauschangriff“ eröffnen. Andererseits könnten die Ermittlungsbehörden– ohne Kontrolle des Verdächtigen – Daten anlegen, kopieren oder versenden, ohne dass der Verdächtige davon etwas bemerkt.

Technische Umsetzung der Fernüberwachung

1.

Derzeit ist es jedoch aufgrund technischer Gegebenheiten äußerst fraglich, ob die Behörden überhaupt über die Mittel zur technischen Umsetzung der geplanten Online-Durchsuchung verfügen. Prinzipiell gibt es für die unbemerkte Durchsuchung und Fernsteuerung eines Rechnersystems nur zwei Ansätze, dies technisch umzusetzen.

Zum einen könnten die Sicherheitsbehörden dem Verdächtigen einen „Bundestrojaner“ unterschieben. Dazu müsste das Programm wie herkömmliche Schadsoftware (Virus, Trojaner, „Rootkit“) verbreitet werden. Möglich wäre hier das Ausnutzen bekannter Sicherheitslücken in vorhandener Standardsoftware. Angesichts der ebenfalls standardmäßig vorhandenen Schutzsoftware (Anti-Viren-Software, Firewall etc.), dürfte eine Infiltration von verdächtigen Rechnersystemen auf diesem Wege jedoch scheitern. Dies insbesondere deswegen, da einige namhafte Hersteller von Antiviren-Software bereits plakativ zum Ausdruck gebracht haben, dass ihre Software auch den Bundestrojaner finden würde.

2.

Als zweiter Ansatzpunkt käme daher eine Manipulation der Infrastruktur von Standardsoftware oder des Internets in Betracht. Über gesetzliche Vorschriften könnten die Behörden beispielsweise die Hersteller von Betriebssystemen dazu verpflichten, eine so genannte „Backdoor“ für den Zugriff der Behörden vorzusehen. Diese Möglichkeit ist jedoch nicht praktikabel, da es bereits jetzt frei verfügbare Betriebssysteme gibt, deren Quellcode offen liegt. In solche Software eine „Backdoor“ zu verstecken, ist unmöglich.

Praktikabilität der Online-Überwachung

Sollte es den Behörden dennoch gelungen sein, einem unvorsichtigen Verdächtigen einen „Bundestrojaner“ unterzuschieben, stößt die Online-Überwachung aufgrund der technischen Gegebenheiten schnell an ihre Grenzen.

Die Mehrzahl aller Internet-Nutzer wird als Zugriffmöglichkeit einen DSL-Anschluss verwenden. Mit diesen Anschlüssen kann man zwar relativ hohe Downloadraten erzielen, der Upload (Verbindung von PC in Richtung Internet) geht jedoch sehr viel schleppender voran. Bei einem Standard DSL-Anschluss würde die Kopie einer 50 Gigabyte Festplatte daher fast sechs Tage in Anspruch nehmen. Während dieses Zeitraums könnte der PC Nutzer zudem wegen des hohen Uploads kaum noch seine DSL-Leitung nutzen. Damit dem Verdächtigen eine entsprechende Spiegelung also nicht auffallen kann, wäre es erforderlich, die Online-Spiegelung nicht mit voller Geschwindigkeit vorzunehmen. Somit würde die Zeit für eine Spiegelung noch über die genannten 6 Tage steigen. Wenn man sich vor Augen führt, dass in aktuelle PC Geräte standardmäßig Festplatten mit einer Größe von 80 bis 160 Gigabyte eingebaut werden, zudem in vielen Rechners mehrere Festplatten vorhanden sind, zeigt sich die Absurdität des Gesetzesvorhabens ganz deutlich.

Sicherheit?

 Angesichts der fehlenden Praktikabilität der geplanten Maßnahme wäre ein Sicherheitsgewinn nicht vorhanden. Der gezielte Einsatz von hoch qualifizierten staatlichen „Hackern“ gegen einige wenige Terrorverdächtige mag sinnvoll erscheinen. Angesichts der personellen Kapazitäten der Behörden in diesem Bereich dürften sich solche Maßnahmen jedoch auf eine ganz geringe Anzahl von Verdächtigen beschränken. Dabei würde es sich regelmäßig um solche Verdächtige handeln, die ohnehin von den Geheimdiensten beobachtet werden. Wieso also nebenher die Strafverfolgungsbehörden eine entsprechende Eingriffsmöglichkeit benötigen, ist nicht ersichtlich. Sicherheit würde hier in Form eines falschen Sicherheitsgefühl geschaffen, wie bei vielen anderen Maßnahmen der jüngeren Vergangenheit auch.

Angesichts der technischen Unbedarftheit und Leichtsinnigkeit mit der ein Verdächtiger an das Medium Internet herangehen müsste, um überhaupt in das Visier der Ermittlungsbehörden zu geraten, würde zu nennenswerten Aufklärungserfolgen lediglich im Bereich der Kleinkriminalität führen.

Wer weiß, welche technischen Möglichkeiten professionell agierenden Kriminellen – zu denen Terroristen wohl zählen dürften – zur Verfügung stehen, kann über das Gesetzesvorhaben des Bundesinnenministers nur lachen.

Organisierte Kriminelle aus dem Bereich Terrorismus oder Drogenkriminalität gehen regelmäßig bei ihrer Kommunikation untereinander derart konspirativ vor, dass herkömmliche Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung nicht mehr greifen. Vielmehr kommunizieren solche Verdächtige mittlerweile über Voice over IP (VOIP ), eine Art Telefonersatz per Internet. Aufgrund der Struktur des Internets ist eine Überwachung dieser Kommunikation de facto nicht möglich. Hinzu kommt, dass Verdächtige entsprechende Kommunikation auch noch verschlüsseln. Die zeitaufwendige Entschlüsselung macht eine Überwachung daher sinnlos. Das gleiche gilt für den E-Mail Verkehr. Wer meint, professionell agierende Täter würden E-Mails mit belastendem Inhalt im Klartext versenden, der irrt gewaltig. Zum Einsatz kommt professionelle Verschlüsselungssoftware, die für staatliche Behörden nicht zu knacken ist. Sollte die Verschlüsselung doch zu knacken sein, so nur von Geheimdiensten und dann mit einem immensen Zeitaufwand. Was nützt den Behörden aber die E-Mail mit der – verschlüsselten – Verabredung zu Terroranschlägen am 11. September 2001, die frühestens am 11. September 2002 entschlüsselt wird?

Sofern von Seite der Behörden nunmehr argumentiert wird, genau deswegen braucht man eine Online-Durchsuchung, wird wiederum nur Sand in die Augen der Bevölkerung gestreut. Denn der Schutz gegen die beabsichtigte Maßnahme bzw. deren Umgehung ist ganz simpel: Die Daten müssen lediglich auf einem Computer verschlüsselt werden, der keinen Internet Zugang hat.

Im Übrigen dürfte es bereits heute nicht der Wirklichkeit entsprechen wenn man annähme, Terrorverdächtige oder organisierte Kriminelle würden Verabredungen zu Verbrechen von ihrem heimischen Wohnzimmer-PC treffen. Vielmehr dürfte sich hier die Nutzung eines Internet-Cafés oder eines anderen öffentlich zugänglichen Rechners (z. B. in Universitäten, Schulen, etc.) anbieten. Das gleiche gilt für „verdächtige“ Informationsbeschaffungen (herunterladen von Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoff, Bomben, Kampftechniken etc.).

Um die von den Behörden beschriebenen Szenarien wirkungsvoll zu unterbinden und kontrollieren bedürfte es einer Regelung, die eine freie Kommunikation über das Internet verbietet. Ein entsprechendes Praxisbeispiel findet sich derzeit in der – vorbildlichen Demokratie – Nordkorea. Dort gibt es – bis auf wenige Behörden – PCs keinen freien Internet Zugang. Das gesamte Land verfügt über ein de facto „Intranet“, also vergleichbar einem lokalem Unternehmensnetzwerk. Offizielle staatliche Stellen entscheiden, welche Inhalte zugänglich sind und welche nicht.

 

Fazit:

Die geplante Maßnahme einer Online-Durchsuchung richtet sich daher nicht – wie von offizieller Seite behauptet – gegen Terrorverdächtige und organisierte Kriminelle. Diese Personen haben bereits jetzt wirkungsvolle Mechanismen, die geplante Maßnahme zu umgehen.

Die Online-Überwachung könnte also allenfalls die bessere Aufklärung von Bagatellkriminalität zur Folge haben (Internet–Betrug, Urheberrechtsverletzungen etc.). Doch um auf dieser Ebene erfolgreich zu sein, müssten zunächst entsprechende personelle und technische Voraussetzungen mit entsprechenden finanziellen Mitteln bei den Ermittlungsbehörden geschaffen werden.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Thomas Koll

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Strafrecht

Das Original dieses Textes wurde in den AAV-Mitteilungen 1/2007 veröffentlicht.