Computerstrafrecht

Computerstrafrecht, was ist das?

Das ist eine gute Frage, es ist kein eingenständiges Rechstgebiet, es ist eigentlich nur eine ungenaue begriffliche Beschreibung. Assoziationen, um was es dabei geht, werden die meisten haben. Eine genaue Definition ist schwer zu finden, zumal die Begrifflichkeiten, mit der das zu Beschreibende belegt wird, vikariieren. Begriffe wie Cyberkriminalität (cyber-crime), Computerkriminalität (computer-crime) Internetstrafrecht, Onlinestrafrecht, Mediendelikte, Computerdelikte, IT-Strafrecht meinen irgendwie alle dasselbe, zumindest dasgleiche. „Virtuelle Verbrechen“, könnte man sagen. Den Themenbereich dieses Blogs steckt das folgende Zitat in etwa ab:

Die Cyberkriminalität umgibt in der öffentlichen Diskussion eine Aura des Geheimnisvollen und Konspirativen. Dies zeigt sich bereits am Schlagwort – oder Mythos? – »rechtsfreier Räume im Internet« ebenso wie am Schlagwort – oder Mythos? – der »Hacker« als den Kriminellen des 21. Jahrhunderts. Wird die von Cyberkriminalität ausgehende Bedrohung eher unter- oder überschätzt? Werden die Möglichkeiten der Strafverfolger eher unter- oder überschätzt? Diese Fragen, die nur diffus wahrgenommene Bedrohungslage und die individuell, politisch und gesellschaftlich gefühlte Machtlosigkeit gegenüber Cyberkriminalität gilt es nun – wenigstens ein wenig – ins rechte Licht zu rücken.

(Brodowski/Freiling – Cyberkriminalität – Computerstrafrecht und die digitale Schattenwirtschaft)

Dem ist wenig hinzuzufügen. Außer dass man sich um die Begrifflichkeiten streiten könnte, was aber nicht zielführend ist. Der Begriff Computerkriminalität wurde seinerzeit vom deutschen Gesetzgeber benutzt, man hätte natürlich auch Anglizismen verwenden können.

Bereits im Jahre 2003 hatte ich das Vorhaben, computerstrafrecht.info zu einer Fundgrube für Rechtsfragen rund um den Bereich der Kriminalität im Zusammenhang mit neuen (sind die eigentlich noch so neu?) Medien zu machen. Damals ist dieser Versuch gescheitert, vor allen Dingen deswegen, weil diese Kriminalität in meiner Praxis als Strafverteidiger kaum zu finden war. In den letzten Jahren zieht die Ermittlungstätigkeit in diesem Bereich jedoch stark an, man könnte sagen, es scheint ein Schwerpunkt der Kriminalpolitik geworden zu sein. Von einem „Modethema“ zu sprechen, wäre falsch. Dazu haben sich die menschlichen Kommunikationsstrukturen und Interaktionen in den letzten Jahren zu sehr und nachhaltig verändert. Auch die Ermittlungsmethoden von Strafverfolgungsbehörden sind zunehmend technisiert worden und haben mit den tiefgreifenden Entwicklungen im Bereich der „Vernetzung“ der Kommunikation Schritt  gehalten.

Rückblickend kann ich sagen, dass sich die Begrifflichkeiten meines Erachtens mit den (neuen) Medien entwickelt haben. So wie sich die technischen Begrifflichkeiten fortentwickelt haben, haben sich auch die Begriffe, welche die Rechstfragen im Zusammenhang mit diesen technischen Neuerungen beschreiben, fortentwickelt. Zunächst gab es nur Computer, die Netze hielten später Einzug. Meilenstein war das Internet, später Cyberspace, „Web“, und „Web 2.0“. Erst in der Kombination haben sich diese beiden technischen Neuerungen wechselseitig möglich gemacht und zu ihrer rapidenVerbreitung und Weiterentwicklung geführt. Heute sehen wir den Anfang vom Ende der Computer. „Mobile Endgeräte“ heißt das Zauberwort. Aus dem „Web 2.0“ wird die „Cloud“.

So haben sich auch die Begriffe im Bereich des Strafrechts entwickelt. Im wesentlichen kann man jedoch zunächst die verschiedenen Perspektiven auf das Thema unterscheiden. Kriminalität“ ist das real zu beschreibende Phänomen menschlichen Verhaltens,  Strafrecht (eine) Reaktion des Staates darauf. Kriminelles Verhalten lässt sich in Kategorien einteilen, in verschiedene Deliktsgruppen, und diese Kategorien werden vom Strafrecht in Straftatbeständen rechtlich abgebildet. Welche Begriffe man nun mit den beiden Perspektivbeschreibungen paart, ist Geschmackssache. Der eine bevorzugt Anglizismen, der andere nicht. Der eine mag es gerne genau, der andere bevorzugt Schlagwörter. Historisch betrachtet möchte ich mir meine eigene Meinung zur Entwicklung der Begrifflichkeiten erlauben. Die technische Entwicklung kam zunächst  aus dem anglo-amerikanischen Raum.  Zunächst wurde das Phänomen beobachtet, dass Computer das Ziel krimineller Handlungen wurden, in der Form, dass deren Entscheidungsprozesse zunehmend die von Menschen ersetzt haben. Erst als es Netze gab, wurde der Computer zum Tatmittel und änderten sich die Begehungsformen der Kriminalität. Der deutsche Gesetzgeber war früh gefragt, zunächst verwendete man den Begriff von Computerkriminalität (auch der Gesetzgeber liebte scheinbar Angliszismen, sonst hätte man ja auch Rechnerkriminalität verwenden können). Später kam das Internet hinzu, es prägten sich andere Begriffe. Insbesondere im Bereich der internationalen Abkommen fand und findet der Begriff „Cyber-Crime“ weitgehende Verwendung.

Festhalten kann man, dass jeder dieser Begriffe unzureichend ist, da er nur Teilbereiche der real zu beschreibenden Phänomene abdeckt. Netze gibt es viele, nicht nur das Internet. Was „Medien“ sind, ist überaus schwammig. Aus „Online“ könnte man in Zeiten von WLAN und UMTS bzw. mobilen Endgeräten auch eher „On-Air“ machen. Begriffe wie „Mobile-Endgeräte-Kriminalität“ oder „Datennetzkriminalität“ sind neben ihrer unzureichenden Beschreibungskraft zudem noch Zungenbrecher und werden sich daher nicht durchsetzen. Einzig die Abkürzung „IT“ für den Oberbegriff  Informationstechnologie (information-technology) ist meines Erachtens geeignet, sich auf Dauer durchzusetzen, da der Begriff zum einen sehr generalisiert und damit weitreichend ist, zum anderen das Akronym griffig ist.

Ich bleibe bis auf weiteres bei Computerkriminalität und Computerstrafrecht. Jeder weiß, was gemeint ist!